Herzlich Willkommen auf den Seiten des DFG-Graduiertenkollegs „Folgen sozialer Hilfen“. Auf unserer Webseite können Sie sich über das Konzept des Kollegs, das Qualifizierungsprogramm sowie die Arbeit der Kollegiat*innen, der Antragstellenden und der weiteren Beteiligten informieren.
Profil
Soziale Hilfen weisen das zentrale Ziel auf, Teilhabechancen und Handlungsoptionen von Adressat*innen zu verbessern. In öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Kontexten wird zunehmend erwartet, Nachweise darüber zu liefern, ob bzw. auf welche Weise die Hilfen ihr Ziel tatsächlich erreichen. Bislang folgen einschlägige Studien hierzu in hohem Maße einzelnen disziplinären Logiken, so dass sich eine heterogene Landschaft von Forschungen entwickelt hat. Das Graduiertenkolleg integriert diese differenten Zugänge, damit sich die Kollegiat*innen in interdisziplinärer Sicht mit Grundfragen der Folgenforschung befassen können. Sie lernen die Komplexität von Folgenforschungen kennen und erwerben Expertise bezüglich konkreter Hilfeformen, so dass sie sich in einem zugleich national geprägten wie auch international hochgradig relevanten Forschungskontext exzellent positionieren.
Die fünf Leitfragen der Folgenforschung werden genutzt, um die interdisziplinäre Fundierung des Graduiertenkollegs einzulösen und um die einzelnen Studien des Graduiertenkollegs aufeinander zu beziehen.
Forschungsprojekte der Kollegiat*innen
Folgen der Resozialisierung: Junge Gefangene zwischen Anspruch auf Wiedereingliederung und Gesellschaftsschutzinteressen

Am Beispiel des Jugendstrafvollzuges in freien Formen soll das geplante Vorhaben die zu einer Jugendstrafe verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden als Adressat*innen erzieherischer bzw. resozialisierender Maßnahmen in den Blick nehmen, die sich vor dem Hintergrund ihrer individuellen Lebenslagen und verfügbaren Ressourcen zu den Maßnahmen als Akteur*innen ihrer eigenen Resozialisierung positionieren und die sich daraus ergebenen Konsequenzen (Folgen) individuell mitgestalten. Die qualitativ-rekonstruktive Erforschung individueller Folgen für die Adressat*innen erfolgt unter Beachtung der spezifischen Rahmung sozialpädagogischer Hilfeerbringung innerhalb des justiziellen Vollzugs einer Jugendstrafe. Entsprechend werden neben einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive auch rechtswissenschaftliche Aspekte Berücksichtigung finden.
Folgen der Bewährungshilfe für das soziale Netzwerk ihrer Adressat*innen

Die Bewährungshilfe, als Aufgabenbereich Sozialer Arbeit in der Strafrechtspflege, gilt in Deutschland als die wichtigste ambulante Alternative zum Strafvollzug. Gemäß Strafgesetzbuch sollen bereits bei der Strafaussetzung die Lebensverhältnisse der verurteilten Person berücksichtigt werden (§ 56 Abs. 1 S. 2 StGB). Auch für die Bewährungszeit sieht der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) eine Zusammenarbeit mit den Angehörigen der zur Bewährung Verurteilten vor. Das Promotionsprojekt setzt an der Schnittstelle von Bewährungshilfearbeit und dem Sozialen Netzwerk ihrer Adressat*innen an und nimmt etwaige Interaktionen in den Blick. Anhand einer qualitativen, fallvergleichenden Netzwerkforschung wird untersucht, ob und wenn, welche Folgen sich durch die Inanspruchnahme der Bewährungshilfe für die Adressat*innen und ihre Beziehungen im Sozialen Netzwerk ergeben.
Verkörperte Folgen sozialer Hilfen – Sozialpädagogische Fanprojekte und die Konstruktion/Transformation sozialer Ordnungen

In dem Dissertationsprojekt wird die Perspektive eingenommen, dass soziales Handeln, welches ein sinnhaft auf andere Personen bezogenes Handeln einschließt, immer körperlich-leiblich geprägt ist. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass auch soziale Hilfen, die sich an die Adressat*innen richten, körper-leiblich durchdrungen sind. Welche Folgen sozialer Hilfen sich vor dem Hintergrund der körperlich-leiblichen Repräsentation, Konstruktion und möglicher Transformation sozialer Ordnung für die Adressat*innen ergeben, ist jedoch bisher eine empirisch offene Frage. Anhand von sozialpädagogisch arbeitenden Fußball-Fanprojekten soll mittels eines qualitativen Forschungsdesigns untersucht werden, wie es zur Einverleibung und Verkörperung sozialer Hilfen durch die Adressat*innen kommt und welche Folgen dies für die Konstruktion/Transformation der sozialen Wirklichkeit der Adressat*innen hat. Gerade die körper-leiblichen Regungen und Erfahrungen der Fans im Kontext Fußball und der damit einhergehenden Fanprojektarbeit eröffnen die Möglichkeit, die verkörperten Folgen sozialer Hilfen differenziert zu untersuchen.
Folgen sozialer Hilfen im Kontext sozialer Stadtentwicklung

Seit Ende der 1990er Jahre erfährt das Politikfeld der Sozialen Stadtentwicklung als Reaktion auf eine zunehmende soziale Ungleichheit in Deutschland große Aufmerksamkeit. Dabei erfahren die Handlungsfelder Soziale Arbeit und Stadtplanung eine programmatische Verknüpfung: Fördergebiete sollen nicht nur städtebaulich und infrastrukturell aufgewertet werden, Ziel ist auch die Verbesserung der sozialen Stabilität in den Stadtteilen sowie der Lebenschancen der in den Gebieten ansässigen Bevölkerung durch die Förderung von Quartiersmanagement, Sozialraumarbeit und/oder Gemeinwesenarbeit. Ausgangspunkt der Adressierung ist dabei ein spezifisch abgegrenzter Raum und damit die gesamte Bewohnerschaft jenes Raums, unabhängig von der individuellen (Nicht-)Nutzung sozialer Angebote. Das qualitativ angelegte Forschungsprojekt fokussiert räumlich verortete soziale Hilfen in Gebieten, in denen Soziale Stadtentwicklung programmatisch anvisiert wird: Vor einem soziologischen Theoriehintergrund sollen Folgen raumbezogener Adressierungen Sozialer Arbeit erforscht werden, welche sich aus Sicht der Adressat*innen ergeben.
Folgen soziallagenbezogener Gesundheitsförderung

In Deutschland wird eine zunehmende gesundheitliche Ungleichheit konstatiert. Mit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes (PrävG) Anfang 2016 wurden der Soziallagenbezug und die nicht-medizinische Gesundheitsförderung gestärkt. Über die Förderung eines selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Adressat*innen soll ein Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen geleistet werden. Zwar zeigen empirische Studien, dass ökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen von der universal ausgerichteten Gesundheitsförderung nicht profitieren, gleichzeitig gibt es wenig empirische Anhaltspunkte zu den Überlegungen der Adressat*innen, ihren Beweggründen und Entscheidungen hinsichtlich der Nutzung bzw. Nicht-Nutzung der Angebote. Was die Anrufung durch das Handlungsfeld der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung für die Adressat*innen bedeutet und welche Folgen sie demnach für ihr (gesundes) Leben relevant machen oder auch nicht, wurde empirisch bislang noch nicht untersucht und soll Gegenstand der Forschungsarbeit sein.
(Re-)Konstruktionen von Elternschaft und elterlicher Handlungsfähigkeit als Folge von Heimerziehung
Primärer Auftrag von Heimerziehung ist neben der Sicherung des Kindeswohls die Förderung der Entwicklung, Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Zusammenhängend damit soll Kinder- und Jugendhilfe dazu beitragen, die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie zu verbessern (§ 37 SGB VIII). In Wirkungsstudien zu Heimerziehung, in deren Zentrum die biographischen Entwicklungen der jungen Menschen stehen, wird die Zusammenarbeit mit den (Herkunfts-)Eltern als entscheidender Faktor für das Gelingen von Heimerziehung benannt. Durch die Careleaverforschung und Diskurse um Ombudschaft in der Jugendhilfe werden die Perspektiven junger Menschen auf Hilfen zur Erziehung zunehmend sichtbarer. Die Erfahrungsebene von (Herkunfts-)Eltern ist in der Jugendhilfeforschung jedoch bis dato empirisch unterrepräsentiert. Die Dissertation widmet sich dieser Perspektive und untersucht, welche Folgen Heimerziehung für Eltern als Adressat*innen dieser Hilfe hat.
Das Dispositiv der Adressat*in schulisch (mit-)initiierter (teil-)stationärer Hilfen zur Erziehung

Laut Kinder- und Jugendhilfestatistik sind die Zahlen schulisch angeregter Verfahren zur Einschätzung einer Gefährdung des Kindeswohls (§ 8a SGB VIII) in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Liegt aus Sicht des Jugendamtes ein Unterstützungsbedarf vor, wird häufig eine (teil-)stationäre Erziehungshilfe installiert. Welche Mechanismen diesem Prozess zugrunde liegen, also wie Schüler*innen zu Adressat*innen der (teil-)stationären Kinder- und Jugendhilfe werden, wurde bisher nicht eingehend empirisch erforscht. Entsprechend wird in diesem Habilitationsprojekt mit Hilfe eines dispositivanalytischen Verfahrens untersucht, wie das ‚Dispositiv der Adressat*in von schulisch (mit-)initiierten (teil-)stationären Hilfen zur Erziehung‘ in seinen machtförmigen Vernetzungen konstituiert wird. Der Fokus richtet sich auf primäre und sekundäre Folgen, die sich im Rahmen dieses vielschichtigen Prozesses für die adressierten Schüler*innen und die weiteren Dimensionen des Dispositivs, z. B. Schule, Jugendamt oder die soziale Hilfe selbst, ergeben.
Subjektivierungsprozesse jugendlicher Nutzer*innen in Bildungslandschaften in Campusform

Bildungslandschaften verbinden formale und non-formale Bildungssettings (z. B. Schule und Jugendeinrichtungen) mit dem Ziel, einem umfassenden Bildungsbegriff unter Einbezug formeller sowie informeller Bildungsprozesse gerecht zu werden. Eine Besonderheit stellt die Verknüpfung verschiedener Bildungseinrichtungen innerhalb eines pädagogisch gestalten räumlichen Areals dar, z. B. in Form eines Bildungscampus. Wie Jugendliche als Nutzer*innen von Bildungslandschaften in Campusform hervorgebracht werden, wurde bisher empirisch nicht eingehend erforscht. Entsprechend stehen Subjektivierungsprozesse von und durch Nutzer*innen im Zentrum des Promotionsvorhabens. Dazu werden (Selbst-)Subjektivierungen der Jugendlichen und (Fremd-)Subjektivierungen der Nutzer*innen seitens der professionellen Akteur*innen betrachtet, um so die Folgen dieses Prozesses in den Blick nehmen zu können.
Der Aushandlungsprozess im Täter-Opfer-Ausgleich
Organisation und Partizipation – Der Partizipationsimperativ in stationären Hilfen zur Erziehung
Soziale Hilfen als öffentlich bereitgestellte ‚pädagogische Wohlfahrtsinterventionen‘ sind auch immer Ausdruck von Vorstellungen über ein gelingendes Zusammenleben. In diesem Zusammenhang sind soziale Hilfen in demokratischen Wohlfahrtsstaaten mit dem Anspruch konfrontiert, Partizipation ihrer Adressat*innen zu ermöglichen und garantieren. Das Projekt fragt, wie die vielfältigen fachlich gebotenen und rechtlich verbrieften Mitbestimmungsmöglichkeiten und Freiräume von Kindern und Jugendlichen in unterschiedlichen Einrichtungen der Heimerziehung wahrgenommen werden. Mithilfe eines qualitativ-quantitativ ausgerichteten mixed-methods Designs werden die Partizipationserfahrungen der Adressat*innen im Kontext von organisationalen Strukturen der Heimerziehung in England und Deutschland untersucht, um so die Folgen des ‚Partizipationsimperativs‘ für Struktur und Praxis der Heimerziehung auf bi-nationaler Ebene in den Blick nehmen zu können.
Folgen systematischer Sanktionierung in der Heimerziehung: Das Konzept des Stufenmodells aus der Adressat*innenperspektive
Im Feld der stationären Kinder- und Jugendhilfe zeichnet sich seit einigen Jahren die Tendenz ab, Praktiken der Sanktionierung von Verhaltensweisen vermehrt zu standardisieren und zu systematisieren. In diesem Kontext stellt das sog. Stufenmodell ein wesentliches pädagogisches Konzept dar, das über den Jugendstrafvollzug und die Geschlossene Unterbringung hinaus zunehmend auch in nicht-geschlossenen intensivpädagogischen bzw. -therapeutischen Heimeinrichtungen angewandt und im wissenschaftlichen Diskurs kritisch diskutiert wird. Das programmatische Ziel ist, den Adressat*innen klare Strukturen und Verhaltensregeln zu vermitteln und sie gleichzeitig zur eigenverantwortlichen Veränderung abweichenden Verhaltens zu motivieren. Die Folgen der Anwendung von Stufenmodellen aus der Perspektive der Adressat*innen intensivpädagogischer Heimeinrichtungen sind jedoch bislang empirisch unterrepräsentiert und werden in diesem Forschungsprojekt mithilfe qualitativer Interviews in den Blick genommen.
News
ÜbersichtDie Fünf Leitfragen
- Wie können Folgen sozialer Hilfen konzeptualisiert werden?
- Wie kommen Folgen zustande?
- Wie sind Adressatinnen in die Konstitution von Folgen eingebunden?
- Wie können Folgen methodologisch und methodisch erforscht werden?
- Wie interagieren soziale Hilfen mit der Identität von Adressatinnen?
Team
Die Kollegiat*innen werden durch ein interdisziplinäres Team aus der Sozialpädagogik, Psychologie und Soziologie unterstützt. Forschende aus dem In- und Ausland werden zudem in das Graduiertenkolleg eingebunden, so dass eine breite internationale und interdisziplinäre Förderung erfolgt. Dies entspricht der Tatsache, dass die Erforschung von Folgen sozialer Hilfen nicht durch eine einzelne Methode oder Disziplin geleistet werden kann, sondern sie verweist auf komplexe Grundfragen, die im wissenschaftlichen Austausch unterschiedlicher Disziplinen und Forschungsansätze zu behandeln sind.
Publikationen
Die beteiligten Wissenschaftler*innen arbeiten seit längerer Zeit kooperativ an der Fragestellung des Graduiertenkollegs. Es wurde auch eine Vorstudie realisiert, deren zentrale Befunde 2017 bei Beltz Juventa erschien: „Folgen sozialer Hilfen. Theoretische und empirische Zugänge“. Auf dieser Seite finden Sie eine Übersicht einschlägiger Publikationen der Beteiligten.