Die fünf Leitfragen bilden den inneren Zusammenhang des Graduiertenkollegs. Sie verbinden die einzelnen Forschungsarbeiten und ermöglichen die interdisziplinäre Auseinandersetzung im Kolleg. Für die einzelnen Promotionen ist eine stetige Auseinandersetzung mit den jeweiligen Leitfragen grundlegend.

1 In welchen sozialen Zusammenhängen entstehen Folgen?
Folgen sozialer Hilfen sind nicht nur auf bestimmte Hilfe- oder Therapiemethoden zurückzuführen, sondern entstehen in komplexen sozialen Zusammenhängen, in die soziale Hilfen eingebettet sind. Folgen stehen im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Vorstellungen etwa von Normalität, Devianz und Hilfsbedürftigkeit; bedeutsam ist auch die soziale Situation der Adressat*innen (z.B. Armut oder Behinderung) oder die Settings, in denen Hilfe erbracht wird (z.B. Digitalisierung, Räume, Hausbesuche). Im Graduiertenkolleg wird erforscht, wie diese sozialen Zusammenhänge als Kontexte für die Folgen sozialer Hilfen fungieren.
2 Wie sind Adressat*innen in die Konstitution von Folgen eingebunden?
Die Erforschung von Folgen sozialer Hilfen ist auch deshalb so komplex, weil die Adressat*innen sozialer Hilfen wesentlich an der Produktion von Folgen beteiligt sind. Adressat*innen haben eigene Vorstellungen davon, wie sie Hilfen nutzen und was sie mit ihnen erreichen wollen; die Hilfe kann für sie Unterschiedliches bedeuten; sie können mit der Hilfe und im Kontakt zu den Fachkräften unterschiedliche Erfahrungen machen. Die Beteiligung der Adressat*innen an der Herstellung von Folgen kann mit verschiedenen theoretischen und forschungsmethodologischen Zugängen in den Blick genommen werden. Diese verschiedenen Perspektiven auf die Beteiligung von Adressat*innen an der Herstellung von Folgen werden im Kolleg diskutiert.
3 Wie können Folgen methodologisch und methodisch erforscht werden?
Für die forschende Annäherung an Folgen bietet sich ein Spektrum an methodologischen Zugängen an, mit denen jeweils spezifische Perspektiven auf Folgen eingenommen werden können. (Teil-)Narrative Interviews ermöglichen bspw. die Analyse von Folgen in Biografien und Selbstdarstellungen von Adressat*innen. Mit ethnografischen Beobachtungen kann analysiert werden, wie Folgen in Interaktionen in spezifischen Settings praktisch hervorgebracht werden. Statistische Analysen erschließen die Wahrscheinlichkeit bestimmter Folgen unter spezifischen Bedingungen. Im Graduiertenkolleg werden diese unterschiedlichen methodologischen Perspektiven auf Folgen erprobt und diskutiert.
4 In welcher Weise werden Folgen auf soziale Hilfen zurückgeführt?
Folgenforschung bedeutet, sich mit der Frage zu befassen, in welcher Weise Folgen auf bestimmte Ursachen zurückgeführt werden können. Folgenforschung operiert somit grundlegend mit Vorstellungen von Kausalität. Je nach Disziplin und Forschungstradition lassen sich unterschiedliche Konzepte von Kausalität ausmachen.
5 Wie interagieren soziale Hilfen mit der Identität von Adressat*innen?
Soziale Praxis geht mit permanenten und meist impliziten Fremd- und Selbstzuschreibungen einher, die auf gesellschaftlich bedeutsame Unterscheidungen bezogen sind. Diese (Selbst-)Zuschreibungen sind grundlegend für die Art und Weise, wie Menschen sich selbst verstehen und darstellen können, und sie gehen mit Über- und Unterordnungen einher. Soziale Hilfen in Anspruch zu nehmen bedeutet für die Adressat*innen, sich in spezifischer Weise solchen Zuschreibungen aussetzen und mit ihnen umgehen zu müssen. Im Graduiertenkolleg wird erforscht, wie soziale Hilfen für die Adressat*innen identitätsrelevant werden.